von Helmut Qualtinger und Carl Merz
Ein Klassiker, heute so aktuell wie 1961. Die Lebensgeschichte des Magazinarbeiters Karl. Opportunist, zynisch… ein echter Österreicher!
Der Herr Karl ist ein knapp einstündiger, zwischen Theaterstück und Kabarett angesiedelter Monolog, der 1961 von Helmut Qualtinger und Carl Merz geschrieben wurde. Das Ein-Personen-Stück, das zunächst mit Qualtinger als Darsteller für das österreichische Fernsehen verfilmt und anschließend auf zahlreichen Bühnen aufgeführt wurde, sorgte in Österreich für heftige Kontroversen.
Der Feinkostmagazineur Herr Karl, der Antiheld des Stücks, erzählt seine Lebensgeschichte, während er im Lager eines Feinkostgeschäftes sitzt. Dabei entpuppt er sich als Mitläufer aus dem Kleinbürgermilieu, der sich vom Ende des Ersten Weltkriegs bis zum Ende der Besatzungszeit in den 1950er Jahren durchs Leben manövriert hat.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Österreichs Beteiligung am NS-Regime und dem tiefsitzenden Antisemitismus nicht thematisiert, stattdessen wurde Österreich als Opfer dargestellt. Heute zählt das Stück zu den Klassikern der Nachkriegszeit.
Historische Ereignisse und Personen im Stück
Herr Karl erwähnt in seinem einstündigen Monolog zahlreiche historische Ereignisse und Personen:
Erster Weltkrieg
- März 1925: Einführung des Schillings
„Es woa a schreckliche Zeit. Inflation…“
„I maan, da Schilling hot schon an Wert g’habt…aber er war net zum dawischen.“ - 1927 Justizpalastbrand
„Eine unruhige Zeit… Man hat nie gewusst, welche Partei die stärkere ist. Man hat sich nie entscheiden können, wo man eintritt…“
„Dann is des historische Jahr 26 kommen, mit den Brand vom Justizpalast […] 27 woa’s“ - 30er Jahre Weltwirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit
„In der Krise hat er si derschossen, der alte Herr Feinkost-Wawra.“
„Wer steht schon auf ihr Göd. In de 30er Joa bitte. Do hot ma kaans ghobt.“
„Do woa i sehr oft arbeitslos. Hackenstad.“
„I bin damals an Sparverein beigetreten… bin Kassier woan. Aber des war a Leichtsinn. Wissen S‘, dass de mi fast einsperren hätten lassen? Da ham s‘ mir vurgworfen, mit de Konten… Wissen S‘, was des is, a Konto? Wenn man von einem Konto auf ein anderes… Nein, das kann ich Ihnen als Laien net so erklären.“ - 1923/24–1934 Schutzbund (ab 1934 verboten)
Demonstration für den Schutzbund
„Bis 34 war i Sozialist, wor aa ka Beruf.“ - 1919–1936 Heimwehr
Demonstration für die Heimwehr:
„Später dann bin i demonstrieren gangen für die Schwarzen. Für die Hahnenschwanzler. Heimwehr. Hab i fünf Schilling kriagt. Dann bin i ummi zum -zu de Nazi. Da hab i aa fünf Schilling kriagt. Na ja, Österreich war immer unpolitisch. Aber a bissel a Geld is z’sammkummen, net?“ - 1938 „Anschluss“ (Hitler marschiert in Österreich ein)
„Dann is eh da Hitler kummen. […] Wann san Se geboren? 38? […] Samma olle – na, i waaß no – am Ring und am Heldenplatz g’standen. De Polizistn mit de Hakenkreuzbinden – fesch! Furchtbar, furchtbar, ein Verbrechen, wie diese gutgläubigen Menschen in die Irre geführt wurden!!“
„Man hat eine gewisse Größe gespürt.“
„De Deitschen sand einmarschiert mit klingendem Spiel.“ - Antisemitismus
„Da war a Jud im Gemeindebau, a gewisser Tennenbaum. Sonst a netter Mensch. Da ham’s so Sachen gegen de Nazi g’schrieben auf de Trottoir… und der Tennenbaum hat des aufwischen müssen. Net er allan, de anderen Juden eh aa… i hab ihm hingführt, dass ers aufwischt. Der Hausmeister hat glacht, er war immer bei a Hetz dabei.“
„Existenzen wurden damals aufgebaut, Gschäften arisiert. Häuser, Kinos! I hab nur an Juden g’führt. I war ein Opfer. Andere san reich worden; I war a Idealist.“ - Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV)
als Fürsorgeorganisation der NSDAP gegründet;
„Na was war i scho?. Bei da NSV. Hat si kaner was denkt, wenn er dazua gangen ist.“ - Zweiter Weltkrieg
„Ich sag ihnen, ich habe im Traum den Zweiten Weltkrieg vorausgesehn.“
„Mia hoben a Kaserne in da Nähe ghobt. Do hob i imma schon ghert das sovü Soldoten – deitsche Soldoten – aus und eingehn im Gemeindebau.“
„I woa jo beim Luftschutz.“ - 1945 Kriegsende
„Nochn Kriag is er zurückgekommen. Der Tennenbaum. Ich grüße ihn. Er schaut mich net an. Hab i ma denkt: na bitte, jetzt is er bees, der Tennenbaum. Dabei: Irgendwer hätt’s ja wegwischen müssen!“ - November 1945 Währungsreform bzw. 1947 Abwertung
„… was i damals in a Nachtlokal gekommen bin, da hobns olle glaabt, i bin a Lord. Und daun is de Währungsreform kummen. Do hob i wida olle Lust verloren zum Leben.“ - 1945–1955 Besatzungszeit
„Und daun sand de Russen kemma. No i bin seehr gut mit ihnen auskemma. Hob de Russn extra in mei Wohnung gführt: Komm tawarisch, idi siuda, hob ’s Hitler Büd pockt, auf d‘ Erd ghaut, drauf herum getrampelt, hobns gsagt „karascho“ und san gangan, ned?“
„A poa Monat späta, wer glaubns, wer kummen sand? De Amerikaner! Na das war eine Erlösung!!“ - Mai 1955 Staatsvertrag
„Gfreit hob i mi schon an dem Tog. Wo ma endlich den Stootsvertrog griagt hoben. Da hab ich mir gedacht: Auch das habe ich jetzt geschafft.“
Ignaz Seipel (1876–1932)
„De ganzen Bundeskanzler wia s‘ da warn… Der Seip… der Bur… der Scho …na, da blade… Na helfn’s ma. Sie ham des doch g’lernt. Na is ja wurscht, aber bein Heirign, do hat’s Persönlichkeiten geben: der Petzner-Masl, Woitschkerlbuam, Korschinek Vickerl, Nezwerka Pepi…“ - Leopold Figl (1902–1965)
„Daun is er herausgetreten der Herr Bundes… Poidl, …“